Pfefferkuchen-Geschichten – von Heike Baller

Pfefferkuchen kann man nie genug haben. Und Geschichten und Rezepte dazu auch nicht 🙂

Alle Jahre wieder, ist rund um Weihnachten Blogwichtel-Zeit im Netzwerk Texttreff. Diesmal hat mir die Recherchemeisterin Heike Baller Familienerinnerungen rund um Pfefferkuchen geschenkt und lüftet gleich auch das Geheimnis der Rose Papa Meilland… Lieben Dank dafür!

Meinen ersten Pfefferkuchen habe ich mit ca. 16 oder 17 Jahren gebacken. Der Teig dafür kam von meiner Großmutter in einem Päckchen. Erst danach stellte sie mir das Rezept zur Verfügung – handschriftlich. Den Zettel hüte ich wie einen Schatz, denn meine Großmutter hat (mir) nur wenig geschrieben. Rund um den Pfefferkuchen in meiner Familie gibt es eine Reihe von Geschichten und Traditionen, von denen ich heute erzählen möchte.

Großmutter und Vater und Pfefferkuchen

Meine Großmutter stammte aus Ostpreußen. Der Pfefferkuchen in ihrer Heimat wurde bereits im August „angeteigt“, wie sie das nannte. Dann kam er in einen großen Steinguttopf, wurde in den Keller gestellt und in der Adventszeit portionsweise abgebacken. Da in dem Teig keine Eier vorgesehen sind, ist das problemlos möglich.

Hotel Bauszs
Hotel Bauszs, Foto: unbekannt

Warum im August? Darüber habe ich bis heute nicht nachgedacht. Aber Annes Frage hat mich da mal animiert. Also:

Der Ort Groß-Skaisgirren war ein Marktort – der größte Wochenmarkt Preußens, der größte Ferkelmarkt und zu einigen Terminen im Jahr wurden dort auch Vieh- und Pferdemärkte abgehalten. Groß-Skaisgirren lag an fünf Fernstraßen und war seit Ende der 90er des 19. Jahrhunderts auch an die Eisenbahnstrecke Königsberg-Tilsit angeschlossen. Im Sommer ist Erntezeit – und so finden die großen Märkte, zu denen Händler aus anderen Städten anreisen, eher im Herbst oder im Frühjahr statt. Meine Familie hatte ein Hotel. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dort im August eher Flaute – und man hatte Zeit, Vorräte für den Herbst und Winter vorzubereiten.

Papa Meilland, Foto: Heike Baller

Der fertige Pfefferkuchen wurde mit Rosenwasser-Zuckerguss überzogen und in Blechdosen verwahrt. Mein Vater liebte den Duft, wenn die Dose geöffnet wurde. Das gehörte zu seinen intensivsten Kindheitserinnerungen. Als er das erste Mal eine Rose roch, fragte erstaunt: „Warum riecht die Rose nach Pfefferkuchen?“ Vielleicht rührt von diesem Erlebnis seine Vorliebe für Rosen im eigenen Garten her – die „Papa Meilland“ war seine Lieblingsrose wegen ihres intensiven Dufts. Und immer, immer wieder assoziierte er diesen Geruch mit Pfefferkuchen.

Der Pfefferkuchen und ich

August war mir natürlich immer viel zu früh, um Pfefferkuchenteig anzusetzen. Aber das erste Oktoberwochenende war mir jahrzehntelang heilig – dann wurde Pfefferkuchenteig bereitet. Und zwar in großen Mengen. Meist habe ich das dreifache Rezept genommen. Zum Glück gab es sowohl im Haushalt meiner Eltern als auch später bei uns große Schüsseln, um diese Massen zu fassen. Diese Teigmenge zu kneten, war und ist eine körperliche Herausforderung. Als Teenager habe ich mich damit auf den Boden gesetzt, die Schüssel zwischen meinen Beinen und einem Tischbein oder so eingeklemmt und dann mit aller Kraft gearbeitet. Da die heiße Honig-Masse zum Mehl gegeben wird, ist das wirklich nicht so ganz einfach bei rund 10 kg Teig.

Pfefferkuchen
Pfefferkuchen 2019, Foto: Heike Baller

Als im Chemieunterricht Ammoniumhydrogencarbonat dran war und der Lehrer uns schnuppern ließ, riefen alle: „Pferdestall.“ Nur ich sagte: „Erinnert mich ans Pfefferkuchenbacken.“ Von da an hatte ich bei dem Lehrer ’nen Stein im Brett.

Nachdem der Nachwuchs größer war, wurden die Teigmenge kleiner und heute schaffe ich – die einfache Rezeptmenge – ganz locker. Selbst gemachter Pfefferkuchen war jahrelang mein bevorzugtes Advents- und Weihnachtsgeschenk für die Menschen rund herum.

Bei der Zubereitung des Teigs gibt es eine wirklich heikle Situation: wenn die aufgelöste Pottasche in die heiße Honig-Zucker-Margarine-Schmalz-Mischung gegeben wird. Geschieht das nämlich zu schnell, besteht die Gefahr, dass der ganze brüllheiße klebrige Brei überfließt. Das ist mir genau zweimal passiert – die Polster unserer Eckbank sind seitdem etwas verfärbt.

Als der Nachwuchs ein Jahr lang in Indien war, ließ er sich das Rezept zuschicken und hat in diesem Land der Gewürze ebenfalls Pfefferkuchen gebacken. *hach*

Lust auf Pfefferkuchen bekommen?

Für dieses Jahr ist es ja nun schon ein bisschen spät, selber solchen Pfefferkuchen vorzubereiten. Doch für nächstes? Ein sehr ähnliches Rezept wie das von meiner Großmutter finden Sie mit der Bezeichnung “Altniederunger Pfefferkuchen“ auf der Rückseite einer fertigen Pfefferkuchen-Gewürzmischung.

Heike Baller, fotografiert von Susanne Fern

Heike Baller arbeitet seit 1995 als freiberufliche Rechercheurin unter Profi-Wissen. Außerdem gibt sie Seminare rund um Internet- und Literaturrecherche an der Uni Köln oder bei Bildungsträgern. Neben dem Pfefferkuchen gibt es bei ihr noch andere Küchenhighlights – z. B. das selbst gemachte Marzipan nach Königsberger Tradition oder die Buttermilchskartoffeln (ebenfalls ostpreußischer Herkunft).

Das Netzwerk Texttreff bringt Texterinnen, Journalistinnen, Autorinnen, Lektorinnen, Übersetzerinnen, Rechercherinnen – und andere wortstarke Frauen zusammen. Einmal im Jahr wird gewichtelt und frau schreibt für einen anderen Blog.

Meine Gastbeiträge:

Und weil ich langsam die Übersicht verliere, habe ich alle Beiträge mal zusammengefasst 😉

Anne

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